Nicht nur vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie begrüßt
‚Die Basis – Initiative für mehr Mitgliederbeteiligung in CDU und CSU‘ die von CDU/CSU
und SPD im Koalitionsausschuss beschlossenen Vorschläge zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes, durch die die Parteien ihre Bundestagskandidaten nun auch nach
digitaler Versammlung per Briefwahl bestimmen können sollen. Gleichzeitig
kritisiert ‘Die Basis’ Pläne der hessischen CDU, statt Digital- oder
Briefwahlen einzuführen, die demokratischen Rechte ihrer Mitglieder zu
beschneiden und die Kandidatenkür auf rechtlich tönerne Füße zu stellen.
Der Deutsche Bundestag debattiert
derzeit eine weitreichende Änderung des Bundeswahlgesetzes, dessen Paragraph 21
die Aufstellung von Parteibewerbern in Bundestagswahlkreisen regelt.
Bisher werden Wahlkreisbewerber
durch eine Mitgliederversammlung oder – wie z.B. im Falle der CDU Hessen –
durch eine besondere Vertreterversammlung bestimmt. „Versammlung“ bedeutet
hierbei bisher eine physische Präsenzveranstaltung, die aber beispielsweise im
Falle einer grassierenden Pandemie undurchführbar sein könnte.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten,
um mit den Erfordernissen einer Pandemie bei der Kandidatenkür umzugehen:
Erstens kann die Versammlung verkleinert werden, indem man Delegierte einführt
bzw. den Faktor eines bereits bestehenden Delegiertenschlüssels erhöht – der
Parteitag also kleiner wird, weil z.B. statt pro 10 Mitglieder nunmehr nur noch
pro 100 Mitglieder ein Delegierter oder eine Delegierte entsandt wird. Zweitens
kann man von der physischen Präsenz Abstand nehmen und die Versammlung digital
bzw. die Abstimmung in Form einer Briefwahl durchführen.
Aus Sicht von „Die Basis“ ist der
zweite Weg der eindeutig bessere. Ko-Initiator Dr. Frank Somogyi erklärt: „Wenn
der Delegiertenschlüssel so erhöht wird, dass sich kein für die Gesamtheit der
Mitglieder repräsentatives Abbild mehr ergeben kann, dann können wir von keiner
unzweifelhaft demokratisch legitimierten Entscheidung mehr ausgehen.“
Daher begrüßt „Die Basis“ den von
den Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzgebungsvorschlag,
denn dieser tendiert eindeutig zu digitaler Willensbildung in Kombination mit
einer Briefwahl.
„Nur so ist es zeitgemäß und
rechtssicher“, sagt Dr. Martin Heipertz, Ko-Initiator von „Die Basis“ und bis
vor kurzem Vorsitzender des Virtuellen Netzwerks der CDU Hessen.
„Wir leben im 21. Jahrhundert, und die Digitalisierung gehört zur
Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger. Die Politik und die Parteien
können und müssen sich dieser technischen Möglichkeiten bedienen. ”
Umso verwunderlicher erscheint es
aus Sicht von „Die Basis“, dass der Landesvorstand der CDU Hessen den
entgegengesetzten Weg gehen will: Dem Landesparteitag am kommenden Samstag, dem
26.09.2020, in Willingen liegt ein Antrag
auf Satzungsänderung vor, der die Durchführung von angeblichen Notparteitagen
mit einem Delegiertenschlüssel von bis zu 100:1 ermöglichen soll – das
Aufstellungsverfahren geriete so zur Farce.
“Für den Kreisverband Frankfurt
würde das im Extremfall bedeuten, dass von 36 Stadtbezirksverbänden 28 je einen
Delegierten entsenden würden, sieben Verbände zwei Delegierte und nur einer
drei Delegierte. Das verzerrt völlig die Größenverhältnisse der Verbände, von
denen einige kaum 20, andere hingegen knapp 100 Mitglieder haben – aber dennoch
je einen Delegierten stellen würden”, sagt das Frankfurter Basis-Teammitglied
Katharina Wangler.
Luca Rath, Ko-Initiator von „Die
Basis“, erklärt: „Eine Lex Hessen kann es nicht geben, sondern nur eine
bundeseinheitliche Lösung. Wir reden hier von einer Operation am offenen Herzen
unserer Demokratie, und es steht nicht im Belieben der Akteure, die Verfahren
nach ihrem Gusto zu gestalten. Schon gar nicht so, dass Interessenkonflikte der
dann handverlesenen Delegierten zum Tragen kommen könnten, das Stimm- und
Vorschlagsrecht der eigentlich durch die Stadtbezirksverbände gewählten
Delegierten beschnitten und so die Chancengleichheit zwischen den einzelnen Bewerbern
beeinträchtigt sein könnte. Denn die Aufstellung von Wahlkreisbewerbern zum
Deutschen Bundestag muss rechtssicher gestaltet werden.“
Diese Rechtssicherheit sieht Dr.
Martin Heipertz gefährdet und sich selbst als Bewerber um eine Nominierung in
Frankfurt-West auch potentiell betroffen. Er erklärt: “Generell ist die Wahl der Wahlkreiskandidaten
bereits vorgelagerter Teil der Bundestagswahl und unterliegt damit dem Schutz
des Grundgesetzes sowie des Bundeswahlgesetzes. Die Vorschriften des
Bundeswahlgesetzes, insbesondere Paragraph 21, unterliegen keinesfalls der
Disposition einzelner Landesverbände. Sie bilden vielmehr den Kernbestand der demokratischen
Wahl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der
keinesfalls tangiert werden darf. Das macht das geplante Manöver aus Wiesbaden
nach meinem Dafürhalten so gefährlich und im Ergebnis auch rechtlich
angreifbar.”
Dr. Frank Somogyi ergänzt: “Es ist zudem mehr als
verwunderlich, wenn die hessischen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion in Berlin
einen Gesetzentwurf zu Artikel 21 des Bundeswahlgesetzes mit Blick auf die
Pandemie miteinbringen und der Landesvorstand der hessischen CDU in Wiesbaden
parallel einen dazu völlig entgegengesetzten Weg einschlägt. Daher sollte der
Landesvorstand klarstellen, dass der hessische Weg subsidiär, also nachrangig,
ist und allein für den Fall gedacht, dass der Bundesgesetzentwurf nicht in
Kraft treten sollte. Unter diesen Vorbehalt sollte die Satzungsänderung
gestellt werden.”
Eine solche Klarstellung blieb jedoch seitens des Landesverbandes auf Nachfrage der “Basis” aus. Katharina Wangler erklärt: “Insgesamt sollte eine pandemiebeschränkte Anwendung des Bundeswahlgesetzes aufgrund der erheblichen rechtlichen Risiken, die im schlimmsten Fall zur Nichtzulassung von CDU-Kandidaten oder zu einer späteren Anfechtung der Wahl führen können, nicht in einem hessischen Alleingang, sondern nur im Einklang mit anderen großen Landesverbänden erfolgen. Ebenfalls sollte mit Blick auf die erheblichen rechtlichen Risiken klargestellt werden, dass eine Anwendung des geplanten hessischen Pandemie-Sonderwegs nur als Ultima ratio unter strikter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen kann.”
Luca Rath stellt abschließend die Frage, ob nach der angedachten Satzungsänderung in Hessen die Aufstellung bereits gewählter hessischer Wahlkreiskandidaten wiederholt werden muss, da die zufällig (durch das Datum der Versammlung) veranlasste Anwendung unterschiedlicher Wahlverfahren in einer Partei für eine Bundestagswahl bereits für sich genommen einen signifikanten Wahlfehler begründen könnte. Er erklärt: “All dies spricht dafür, die von der Bundes-CDU vorgesehene und durch die Fraktionen eingebrachte Änderung des Bundeswahlgesetzes auch in Hessen erst einmal abzuwarten und nicht durch übereiltes Handeln und Alleingänge erhebliche Rechtsunsicherheit für das Verfahren zur Wahl der Kandidaten zu schaffen.”
Die Initiative „Die BASIS“ hat ihren Ursprung in Frankfurt am Main, Heidelberg und Berlin und will bundesweit das Engagement in CDU und CSU beleben. Sie ist eine Gruppe von Unionsmitgliedern unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung, verfolgt keine konkreten inhaltlichen Ziele, sondern will dem Mitgliederwillen eine größere Bedeutung bei der Ausrichtung der Union verleihen. Die Initiatoren sind Dr. Martin Heipertz, Luca Rath und Dr. Frank Somogyi.