Es tut sich etwas: In der Welt, in der Europäischen Union, in Deutschland. Aber auch in der Union? Die Welt um uns herum befindet sich im stetigen Wandel. Mehr denn je werden wir mit neuen Phänomenen konfrontiert, die wir zu oft als Probleme und zu selten als Chancen begreifen.
Oft werden wir als innovationsschwache Stillstandspartei mit verkrusteten Parteistrukturen wahrgenommen, als unbeholfen im Umgang mit Neuem und entgegen unserem Selbstbild auch als bürgerfern – insbesondere in den Großstädten. Der Umgang mit Fridays for Future oder dem Protest zu Artikel 13 verdeutlichen das, durch die Ergebnisse der Europawahl bemerkt es die Union inzwischen sogar selbst. So verlieren wir zunehmend das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und in Folge dessen auch an Zustimmung.
Das Ergebnis der Union bei der Europawahl ist der vorläufige Tiefpunkt dieser Entwicklung. Besonders schwer wiegt die verschwindend geringe Resonanz unserer Partei bei der Jugend und den jungen Erwachsenen in Deutschland. Gleichzeitig wurde die CDU in den östlichen Bundesländern als stärkste Kraft abgelöst. Auf beiden Seiten des politischen Spektrums drohen wir Wahlkreise zu verlieren: durch die Grünen im Westen der Republik, durch die AfD im Osten. Das ist unsere Herausforderung als verbliebene Volkspartei.
Um diese Entwicklungen umzukehren, müssen wir sie zunächst verstehen. Aus unserer Sicht sind sie Ausdruck der Entkopplung zwischen Partei und Wählern, aber auch zwischen Parteiführung und Parteibasis. Der Union ist es — wie bereits bei vielen Wahlen zuvor — nicht gelungen, zu erkennen, welche Themen den Menschen auf der Seele liegen. Sie hat es weder geschafft, reale Probleme anzugehen, noch vermeintlichen Problemen argumentativ zu begegnen. Statt aktiv zu gestalten reagiert die Union bestenfalls noch, wenn der Problemdruck zu groß oder sie durch die Angriffe anderer Parteien oder Gruppierungen genötigt wird. Kein Wunder also, dass die Union als Partei des Stillstands wahrgenommen wird und die Kompetenzen in Bereichen Sicherheit, Wohlstand und Umwelt zunehmend anderen Parteien zugesprochen werden.
Zudem erleben wir derzeit tagesaktuell, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihre politische Meinung außerhalb der Parteien formulieren. Fridays For Future oder YouTube-Videos sind dafür ebenso Beispiele wie der Protest als Kernelement so mancher Wahlentscheidung. Abgehoben von der Basis, hat die Partei aktuelle Bewegungen unterschätzt. Insbesondere die junge Generation fühlt sich mehrheitlich nicht von uns vertreten. Dies zeigt, dass wir unsere zentralen Aufgaben als Partei derzeit nur unzureichend erfüllen.
Die Lösung kann jedoch nicht in Schuldzuweisungen, dem bloßen Austauschen von Spitzenpersonal oder der hastigen Veränderung von Positionen liegen. Solche Reaktionen wären weder zielführend noch nachhaltig. Daher bedarf es neuer, innovativer und manchmal auch mutiger Lösungsansätze. Wir müssen uns der Reform struktureller Rahmenbedingungen für die politische Willensbildung und die Personalauswahl zuwenden. Denn diese Strukturen und Prozesse sind nicht nur im Sinne der Digitalisierung veraltet, sondern entsprechen auch nicht dem Anspruch einer modernen Volkspartei. Gerade im Hinblick auf die Debatte über die Zukunftsfähigkeit des Konzepts der Volksparteien ist das wichtiger denn je.
Zur Erneuerung unserer Partei sagen wir: Zunächst müssen sich die Strukturen ändern. Denn die Strukturen und Prozesse sind die Spielregeln für die innerparteiliche Willensbildung. Diese geschieht dann von selbst – in besserer Weise als bisher, und daraus folgen dann auch neue, bürgernähere Inhalte.